Was ist der Offene Dialog?

Der offene Dialog ist eine Gesprächsform, in der unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen gleichberechtigt ausgetauscht werden.

In den 1980iger Jahren entwickelte sich „Der Offene Dialog“ in Finnland zu einer bedürfnisangepassten Behandlung zur Therapie von psychotischen Erkrankungen. Aus familientherapeutischen Ansätzen entwickelte sich das Einbeziehen des persönlichen und professionellen Netzwerkes. Wichtige Entscheidungen werden damit in und mit dem Netzwerk getroffen. Mehr als zuvor wurde damit ein konstruktiver und unterstützender Umgang miteinander in schweren Krisen ermöglicht.

1995 wurde diese Vorgehensweise von Jaako Seikkula et al. als „Open Dialogue“ beschrieben. Das „Offene“ bezieht sich hier auf ein transparentes Vorgehen bei Entscheidungen und der Planung von Therapien im Rahmen der Netzwerkgespräche, in dem alle Teilnehmenden gehört werden.

Beim Offenen Dialog geht es um eine Haltung und eine Vorgehensweise, es ist keine Methode, der ein Manual zugrunde liegt. In der Entwicklung dieser Gesprächsform ist der Ansatz der systemischen Therapie am deutlichsten, aber auch Techniken anderer therapeutischer Schulen sind vertreten. Genauso kann der Offene Dialog mit kompatiblen anderen Methoden im Alltag verbunden werden. Einzig die 7 Prinzipien des Offenen Dialogs und die 12 Schlüsselelemente stellen eine Systematisierung da (siehe Anhang).

Diese dialogische therapeutische Praxis wird als eine Art des Denkens angesehen, um das Zuhören und die Reflexion von allen Beteiligten zu fördern. Probleme werden im Kontext der unterschiedlichen sozialen Systeme der Klient*innen betrachtet und sind somit keine statische Eigenschaft einer bestimmten Person. Die Förderung des Dialogs durch gemeinsames Nachdenken, das Aushalten von Unsicherheit und die Akzeptanz verschiedener Perspektiven sind erfahrungsgemäß eine gute Basis um gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln. Wichtig ist, dass die Betroffenen stets anwesend sind und als Expert*innen ihrer Krise angesehen werden. In diesem Zusammenhang haben sich auch Netzwerkgespräche bewährt, bei der sich relevante Personen des Klient*innensystems auf Augenhöhe begegnen und Gehör finden.

Warum Offener Dialog bei Pinel?

Bei der Eingliederungshilfe handelt es sich um eine Hilfeform, die auf selbstbestimmte Lebensführung sowie Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft abzielt und verschiedene Lebensaspekte berührt: Unter anderem häusliches Leben, Tages-, Freizeit- und Kontaktgestaltung, Beschäftigung und Arbeit, psychische Gesundheit, Lernen, Mobilität sowie Gemeinschaftsleben.

Die Komplexität dieser Themenfelder und die Vielfalt der damit verknüpften Akteur*innen (Ärzt*innen, Angehörige, Ämter, Arbeitsstätte, Nachbar*innen und viele mehr) verlangt nach Methoden, die den Sozialraum und das gesamte soziale Umfeld in den Blick nehmen. Aus diesem Grund hat Pinel 2010 damit begonnen den Offenen Dialog in die Betreuungsarbeit zu integrieren.

Pinel ist von der Wirksamkeit des Offenen Dialogs überzeugt und setzt sich in der psychosozialen Landschaft verstärkt für die Wahrnehmung, Anerkennung und Tragfähigkeit dieser Grundhaltung ein.

Wie setzt Pinel den Offenen Dialog um?

Unter dem Dach der Stiftung Pinel wird regelmäßig die Weiterbildung „Offener Dialog“ angeboten, die acht zweitägige Workshops umfasst. In allen Pinel-Einrichtungen arbeiten mehrere Kolleg*innen, die diese Weiterbildung absolviert haben.

Angepasst an den jeweiligen Standort werden diverse Methoden angewendet, die der Grundhaltung des Offenen Dialogs Rechnung tragen. Beispielhaft seien genannt:

  • Co-Betreuung und Tandemgespräche: Eine Aufteilung der Bezugsbetreuung auf zwei Personen
  • Netzwerkkarten: Ein Erhebungsinstrument und Kommunikationsmedium über bedeutsame Personen des sozialen Umfelds, gewichtet nach der emotionalen Bedeutung
  • Netzwerkgespräche: Die regelmäßige Organisation und Durchführung von ergebnisoffenen Gesprächsrunden mit Personen des sozialen Netzwerks
  • Fallbesprechungen: Regelmäßige Beleuchtung des Betreuungsgeschehens unter externer Anleitung anhand systemischer Methoden wie Reflecting Team, teilweise gemeinsam mit Klient*innen
  • Moderator*innen-Pool: Ein Moderator*innen-Pool steht für die Organisation von Netzwerkgesprächen zur Verfügung
  • Übungsgruppen: regelmäßige Intervision, Austausch und Übung von Methoden des Offenen Dialogs für Moderator*innen

 

Weiterbildung zum Offenen Dialog